Wie ein Traum vom eigenen Shop zur Falle werden kann – und warum ich mich für einen anderen Weg entschieden habe
In der Welt der DIY-Produkte, Handmade-Kunst und digitalen Vorlagen scheint Etsy wie das gelobte Land:
Ein Ort, an dem kleine Labels groß werden können, wo Kreative endlich sichtbar sind, ihre Produkte verkaufen – und ihren Traum vom eigenen Business leben.
Millionen Verkäufer:innen weltweit bieten dort digitale Produkte, T-Shirts, Schmuck, Kerzen, Poster, Plotterdateien, Stickmuster und mehr an.
Und Millionen Käufer:innen klicken, stöbern, kaufen.
Was auf den ersten Blick nach Selbstverwirklichung und kreativer Freiheit aussieht, entpuppt sich oft als ausbeuterisches System.
Es zerstört langfristig genau das, wovon es lebt: die Vielfalt echter, unabhängiger Kreativität.
Ich habe mich bewusst gegen Etsy entschieden.
Und ich möchte dir in diesem Beitrag erklären, warum.
1. Etsy in Zahlen – eine Erfolgsgeschichte?
Auf dem Papier ist Etsy ein Phänomen:
- Über 96 Millionen aktive Käufer:innen (2023)
- Mehr als 7,5 Millionen aktive Verkäufer:innen
- Jährlicher Umsatz von über 2,5 Milliarden US-Dollar
- Riesiger Traffic – monatlich rund 500 Millionen Seitenaufrufe
- In fast allen Ländern der Welt verfügbar
Etsy vermarktet sich als „Marktplatz für das Einzigartige“, als Heimat des Handgemachten und der kleinen Shops.
In Werbespots sieht man liebevoll gestaltete Werkstätten, kreative Köpfe in ihren Ateliers – Etsy als Plattform, die Träume möglich macht.
Aber wem dient dieser Erfolg wirklich?
2. Wie Etsy verdient – und wer bezahlt
Zunächst: Etsy ist kein Wohltätigkeitsprojekt. Es ist ein börsennotiertes Unternehmen.
Das bedeutet: Das Hauptziel ist Gewinnmaximierung für Aktionär:innen – nicht die Unterstützung kreativer Menschen.
Um das zu erreichen, hat Etsy über die Jahre ein Geschäftsmodell entwickelt, das auf immer mehr Gebühren, Kontrolle und Intransparenz setzt:
💸 Die Etsy-Gebührenstruktur (Stand 2024):
- Listungsgebühr: 0,20 USD pro Produkt – alle 4 Monate erneut
- Verkaufsprovision: 6,5 % pro Verkauf
- Zahlungsabwicklungsgebühr: ca. 4 % + 0,30 USD
- „Offsite Ads“: Etsy schaltet Werbung auf Google & Co. und kassiert dafür weitere 12–15 % vom Verkaufspreis
- „Etsy Ads“ (freiwillig): Wer sichtbar sein will, muss extra zahlen – Sichtbarkeit ist zur bezahlten Ware geworden
➡️ Reale Beispielrechnung:
Verkauf eines digitalen Produkts für 5,00 EUR → Nach allen Gebühren bleiben oft weniger als 3,50 EUR. Und das, bevor noch Steuern und Aufwände abgezogen werden.
Was einst ein fairer Marktplatz war, ist längst zur Plattform geworden, auf der Kleinstunternehmen multinationale Rendite abwerfen.
3. Sichtbarkeit – wer viel zahlt, gewinnt
Ein besonders heikler Punkt ist der Suchalgorithmus von Etsy.
Sichtbarkeit – also das Ranking deiner Produkte – hängt nicht nur von Qualität oder Bewertungen ab, sondern zunehmend von deinem Marketingbudget.
Wer Etsy Ads nutzt, wird bevorzugt. Wer „Offsite Ads“ deaktivieren möchte, kann das bei über 10.000 USD Jahresumsatz nicht mehr – Pflichtbeteiligung inklusive 15 % Abgabe.
Damit verkehrt sich das ursprüngliche Versprechen („Jede:r kann hier starten“) ins Gegenteil:
Nur wer zahlt, wird gesehen.
Und wer gesehen wird, wird gekauft.
Das trifft besonders kleine Shops, kreative Einzelkämpfer:innen und Newcomer hart – und fördert statt Vielfalt nur das, was bereits „gut läuft“ oder massentauglich ist.
4. Die Plattform-Logik: Masse statt Klass
Etsy ist heute weit entfernt von der ursprünglichen Idee eines handgemachten Marktplatzes.
Viele Produkte werden nicht mehr selbst hergestellt, sondern von Dropshipping-Anbietern oder Print-on-Demand-Diensten übernommen.
Unzählige Listings stammen aus Alibaba-Katalogen oder nutzen identische Mockups – kopiert, leicht verändert, massenhaft hochgeladen.
Für echte Künstler:innen bedeutet das: Ihre Werke verschwinden zwischen T-Shirts aus Fernost, generischen SVGs, AI-generierten Schriftarten und tausenden Keyword-optimierten Listings.
Echtheit wird erdrückt von Algorithmus-Kalkül.
5. Vorteile von Etsy – ehrlich betrachtet
Natürlich hat Etsy auch Vorteile, sonst wären nicht Millionen Menschen dort aktiv:
Vorteil | Beschreibung |
---|---|
Reichweite | Etsy hat einen riesigen Kundenstamm, ideal für Start |
Niedrige Einstiegshürde | Keine eigene Website nötig, einfacher Produktupload |
Vertrauen | Viele Käufer:innen vertrauen Etsy – vor allem international |
Schnittstellen | Integration mit Canva, Printful, Printify etc. für automatisierte Prozesse |
➡️ Diese Vorteile sind aber nur kurzfristig attraktiv. Wer auf Dauer überleben will, muss sich irgendwann aus der Abhängigkeit befreien.
6. Die Kehrseite: Kreative in der Abwärtsspirale
Viele Etsy-Verkäufer:innen berichten nach Jahren auf der Plattform von:
- Burnout durch ständige Algorithmus-Anpassungen
- Preis-Dumping durch Wettbewerbsdruck und AI-Massenware
- Copycats – eigene Designs werden sofort nachgemacht
- Sanktionen – Shopsperrungen ohne Vorwarnung oder transparente Begründung
- Abhängigkeit – ohne Etsy keine Verkäufe, kein Einkommen
Die Folge: Statt freier Gestaltung herrscht Stress, Marketingdruck und Anpassungszwang.
7. Warum ich Etsy ablehne – aus Überzeugung
Auf FAMAFAMI stelle ich meine Plotterdateien, Illustrationen und DIY-Vorlagen kostenlos unter einer offenen Lizenz zur Verfügung.
Ich glaube an eine kreative Kultur, die auf Teilen, Vertrauen und Wertschätzung basiert – nicht auf Paywalls, Provisionen und Plattformzwang.
Ich will keine Gebühren zahlen, um gesehen zu werden.
Ich will nicht, dass Menschen „zufällig“ über mich stolpern.
Ich will eine Community aufbauen, die bewusst hier ist.
Weil sie die Idee versteht.
Weil sie frei gestalten möchte – nicht konsumieren muss.
Etsy zwingt Künstler:innen in ein System, das ihnen langsam die Luft nimmt.
Ich möchte frei atmen.
Und frei gestalten.
8. Was ist die Alternative?
Du bist die Alternative.
Wenn du meine Arbeit nutzt, weiterempfiehlst, spendest oder Mitglied wirst, hilfst du mit, ein anderes System zu erhalten:
✅ Ohne Werbung
✅ Ohne Verkaufsdruck
✅ Ohne Entwertung von Designarbeit
✅ Mit freier Lizenz zur privaten und kommerziellen Nutzung
Gemeinwohl statt Gewinnmaximierung. Austausch statt Algorithmus.
Lesermeinung:
Was denkst du über Etsy oder ähnliche Plattformen?
Hast du selbst Erfahrungen als Verkäufer:in oder Käufer:in gemacht?
Ich freue mich über deine Gedanken, Kritik oder Ergänzungen – direkt unten in den Kommentaren.
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